Moin,
muss einmal in den Äther mein Erlebnis rausschreiben, vielleicht hilft es jemand anderem in einer ähnlichen Situation.
Tag 1
Es ist Montag, nach einem sehr erlebnisreichen und schönen Wochenende erwachen meine Liebste und ich, langsam aus unserem Schlaf, Home Office sei Dank alles ohne Hektik.
12:30 Uhr
Während sie in der Küche das Frühstück vorbereitet und ich am PC etwas mache, geht mein PC plötzlich aus. „Oh-oh“, denke ich ironisch, „jetzt ist er kaputt.“
Ich stelle allerdings fest, dass nicht nur der Drucker ausgegangen ist, sondern ebenfalls andere Geräte im gleichen Zimmer ohne Strom sind. Drucker und Router regen sich nicht mehr. „Ui, die Sicherung ist hier noch nie rausgeflogen“ ist mein Gedanke, während ich mich zum Sicherungskasten im Flur aufmache. Weder FI, noch Sicherung des Wohnzimmers sind raus. Die erste Welle von Sorge rollt über meine Gedanken: „Ist bei dir auch der Strom aus?“ frage ich meine Partnerin, während der letzte Funken Hoffnung in meinem Kopf schwindet; ja, auch bei ihr ist der Strom aus.
Ich öffne die Wohnungstür und mache das Licht im Flur an – es funktioniert. Da wird mir klar, wir haben ein Problem. Ich rufe (1) die Hausverwalterin Frau Kotzenstein [Name von der Redaktion anonymisiert]. Nachdem ich die Situation geschildert habe, ist selbstverständlich, ihre erste, sehr gehässig formulierte, Frage: „Haben Sie Ihre Rechnungen bezahlt? Das ist ja häufig das Problem.“ Ja, die Rechnungen sind bezahlt, das ist nicht das Problem. Aber wenn ihr nichts bekannt sei, melde ich mich eben mal beim Netzbetreiber und beim Stromversorger[^1].
13:00 Uhr
Beim Netzbetreiber (2) möchte ich eine Störung melden. Der Kollege informiert mich, dass Netzbetreiber erst ab zwei Haushalten von einer Störung sprechen. Ich solle mich in meinem Haus informieren und im Falle, dass weitere Haushalte betroffen sind, nochmals eine Störung melden. Er fragt mich, ob unsere Rechnungen bezahlt seien, bietet im gleichen Zuge an, auf Basis unserer Zählernummer 109, nachzuschauen, ob irgendetwas hinterlegt sei. Ich bejahe ihm die Frage und nehme sein Angebot gerne an. Nach seiner Prüfung stellt sich raus, dass nichts hinterlegt ist und er bescheinigt uns, dass mit dem Konto alles stimmt. Da ich so etwas noch nie hatte, bitte ich ihn mir zu empfehlen, wie ich am besten weiter vorgehen solle: „Die Hausverwaltung muss im Zweifel einen Elektriker beauftragen, der die hausinterne Stromleitung überprüft und wenn er feststellt, dass es doch am Hausanschluss liegt, übernehmen wir die Kosten und kümmern uns um alles weitere.“
Im Anschluss an das Gespräch klopfe ich bei einer Nachbarin und frage ob ihr Strom funktioniert, bei ihr läuft's. Der letzte Funken Hoffnung schwindet. Ich rufe (3) erneut Frau Kotzenstein an und informiere sie wie sie vorzugehen hat.
13:30 Uhr
Frau Kotzenstein ruft mich (4) zurück und informiert mich, dass der Kollege der Elektriker ist, zufällig wüsste was geschehen ist: Er habe jemandem vom Netzbetreiber Zugang zu den Stromzählern verschafft, da dieser einen Sperrauftrag hatte.
Im Anschluss rufe ich eine Rechtsberatung an (5), um mich über mögliche Rechte meinerseits aufklären zu lassen.
14:00 Uhr
Ich versuche beim Stromanbieter ein:e Mitarbeiter:in zu erreichen (6,7,8). Der Computer siebt mich immer dann wieder aus, wenn ich erwähne, dass ich wegen einer „Sperrung“ anrufe. Beim nächsten Anruf (9) nenne ich dem Computer als Grund für meinen Anruf „Mitarbeiterkontakt“ und er stellt mich durch.
Es stellt sich raus, dass der Zähler mit der Nummer 108 gesperrt wurde, da die Rechnungen nicht beglichen wurden. Gut, bei uns läuft ja der Vertrag auf die 109, das dürfte ja nicht das Problem sein. Nach dem sich die Mitarbeiterin bei der Fachabteilung informiert hat, empfiehlt sie mir, mich doch „bei den Nachbarn umzuhören, wer mit der 108 gemeldet ist“, dann könne sich diese Person (deren Name sie weiß und mir aber aus datenschutzfreundlichen Gründen nicht kommunizieren darf [gut so]) melden, die Rechnungen begleichen und die Zähler könnten getauscht werden. Die Verbindung bricht ab und ich bin leicht irritiert: In diesem Haus leben ca. 20 Parteien, Großstadt, Zentrum – und warum soll das überhaupt meine Aufgabe sein, ich bin doch nicht der Geldeintreiber für meinen Stromanbieter?!
Ich rufe erneut Frau Kotzenstein an (10), die mir sofort ins Wort fällt. Ihr Kollege habe sich an den gesperrten Stromzähler erinnert, dass sei die 108 und die liefe auf Herr Abgehaun[^2] (was ist schon Datenschutz?!), dessen Name Programm ist. Dieser lebt seit August letzten Jahres nicht mehr hier und hat versäumt seinen Anschluss abzumelden. Sie probiere bei Vattenfall anzurufen, käme aber nicht durch, ob ich nicht auf dem Laufenden halten könnte? [AAAAAAAAAAAAAA]
Immerhin war nun klar was geschehen sein muss: Die Hausverwaltung hat die Zähler vertauscht.
Erneut ruft mich Frau Kotzenstein an (11), ihre Kollegin Frau Schmidt und sie hätten eine Idee, wie wir an Strom kommen könnten. Während Frau Kotzenstein zwei Telefone aneinander hält, schlägt Frau Schmidt vor: „Haben Sie im Hausflur eine Steckdose von der sie sich mit einer Verlängerung Strom holen könnten?“ – damit ich da den Kühlschrank, Durchlauferhitzer (ach ja, Warmwasser haben wir durch die Situation auch nicht), Router und Server anhänge? Ich erkläre, dass keine Steckdose vorhanden sei und selbst wenn, das keine Lösung sei.
Die Beiden bitten mich sie weiter auf dem Laufenden zu halten, sie kämen nach wie vor nicht durch.
14:30 Uhr
Ein erneuter Anruf (12) beim Stromanbieter, bei dem ich die Situation schildere. Der Mitarbeiter möchte sich wieder mit der Fachabteilung kurzschließen, wieder höre ich mit die Warteschleifenmusik an. Nach 10 Minuten empfängt mich die Kollegin der Fachabteilung. Die Hausverwaltung habe selbst eine spezielle Nummer, so wie die, über die ich anriefe, nur scheinbar wissen sie das nicht. Die Situation sei ein Clusterfuck, weil so wie es aussieht, liegt die Verwechslung Jahrzehnte zurück und es müssen Zählerstände von Jahrzehnten umgeschrieben werden: „Das bedeutet Überstunden für mich“, murmelt sie in sich rein, während im Hintergrund ihre kleine Tochter „|:Mama, Mama, Mama, Mama:|“ töhnt. Ich erkundige mich, wie es weitergeht: „Ich bearbeite das jetzt, melde mich bei ihrer Hausverwaltung und stoße an, dass sie zügig wieder Strom haben.“ Sie findet bei einer Google-Anfrage über die Hausverwaltung raus, dass der Besitzer der Hausverwaltung mit den Wohnungseigentümern verwandt ist – wow.
Ich gebe mich damit erstmal zufrieden, gehe zu einer Freundin duschen und stelle die wichtigsten Sachen aus dem Eisfach bei ihr unter. Zwischendurch ein weiterer Anruf (13) von Frau Schmidt.
Am Abend sind wir sowieso auswärts mit einer anderen Freundin zum Essen verabredet, tut uns gut uns abzulenken. Abends schauen wir Karambolage über Hotspot und Tablet im Bett, die LED-Kerze, die uns meine Nichte zu Weihnachten schenkte, erweist sich erneut (!) als nützlichstes Geschenk seit Jahrzehnten.
Tag 2
Neuer Tag, neues Glück. Gesicht mit eiskaltem Wasser waschen macht immerhin wach.
9:00 Uhr
Frau Schmidt bringt uns den Schlüssel zu einer leerstehenden Wohnung, damit wir dort duschen und Geräte laden können.
Ich rufe im Anschluss den Stromanbieter (14) an, um zu erfahren wie die Lage ist. Frau Müller zeigt Empathie für meine Situation und informiert sich bei der Fachabteilung. Damit das Anliegen weiter bearbeitet werden kann, benötigt der Stromanbieter das Wohnungsübergabe-Protokoll inklusive der falsch-angegebenen Zählernummer und eine schriftliche Bestätigung der Hausverwaltung, dass eine Zählerverwechslung vorliegt.
Am Telefon informiert mich Frau Kotzenstein (15), dass sie nicht mehr zuständig sei, sondern Frau Schmidt das jetzt übernommen hat.
Frau Schmidt ist noch nicht im Büro (Parallelstraße und hinter unserem Haus, es sind 30 Minuten vergangen) zurück, die Kollegin am Telefon (16) bittet mich es in einer Stunde erneut zu versuchen. Ich frühstücke in der Zeit.
10:30 Uhr
Ich rufe erneut an (17), Frau Schmidt befindet sich laut Kollegin in einem Telefonat. Zehn Minuten später klappt es aber endlich (18) und ich bekomme den saloppen Dreizeiler per Mail.
Bild und PDF muss ich über PDF24 zusammenfügen, da meine StirlingPDF ja down ist. Ich schicke das dem Stromanbieter per Mail und putze mir die Zähne.
11:00 Uhr
Wieder per „Mitarbeiterkontakt“ am Computer vorbeigeschlichen, habe ich wieder Frau Müller am Telefon (19), die ekstatisch wird und meint, „wir können heute Lotto spielen“, denn man bekomme sich selten mehr als einmal dran. Sie schafft es unter „Scheibenhonig“-Flüchen nicht sich die Mail zuzuordnen, da diese noch im System sei. Ich solle es nochmal in einer Stunde probieren.
12:00 Uhr
Ihre Kollegin, Frau Albert (20), schaltet sich mit der Fachabteilung kurz und informiert mich nach 10 Minuten Warteschleife, dass das jetzt an die Rechnungsabteilung ging und sie sich nach „30 Minuten, spätestens einer Stunde“ bei mir zurückmelden.
Ich treffe mich mit meiner Partnerin zum Essen, auf ihrer Arbeit wurden gerade 15 Mitarbeiter:innen entlassen, unter anderem die Freundin bei der wir duschen und die Lebensmittel gelagert haben. Sie ist auch mit dabei, wir lästern über die Firma und lassen es uns gut gehen.
15:00 Uhr
Da sich noch niemand vom Stromanbieter gemeldet hat, rufe ich an (21) und erfahre, dass unser Anliegen durch ist und eine Zählerentsperrung angestoßen wurde. Man melde sich zeitnah bei mir mit einem Anruf.
Ich versuche die Bürokratie auszutricksen, rufe beim Netzbetreiber an (22) und schildere meine Situation. Der Kollege hat den Auftrag auch schon vorliegen, muss aber schauen, ob er noch einen Kollegen des Außendienstes erreicht, da im Buchungskalender erst ein Termin am Freitag (Panik!) möglich wäre. Leider schlägt das fehl. Er kann mich aber beruhigen, ich solle einfach am Folgetag um 8 Uhr anrufen und dann bekommt man schon einen Slot beim Außendienst. Was soll man machen?
16:00 Uhr
Mein Telefon klingelt (23) und eine Mitarbeiterin vom Stromanbieter teilt mir mit, dass heute leider kein Slot mehr frei sei, aber sie morgen zwischen 8 und 13 Uhr jemanden (vom Netzbetreiber) rausschicken könnten.
Stand jetzt
Ich habe sicherlich fünf Anrufe unterschlagen, aber es hat unter 30 Anrufen und nur knapp 30 Stunden gedauert, bis ich eine Zusage bekommen habe, das mein Strom entsperrt wird.
Ich wünsche keinem, diese Situation zu haben. Ich habe dadurch gemerkt, wie abhängig man vom Strom ist: Kein Warmwasser, kein Internet, keine Serverdienste, kein Gaming. Zum Glück habe ich mir vor kurzem 140 GB Datenvolumen besorgt. Ohne unsere Freundin wären wir auch fies aufgeschmissen gewesen.
Ich update nochmal, sobald wir wieder Strom haben.
Update Tag 3
Gestern kam überraschend nach „Dienstende“ der Anruf (24), dass uns ein Eiltermin für heute 8 bis 13 Uhr eingetragen wurde.
9:00 Uhr
Ich schäle mich aus dem Bett, gestern mit der Liebsten den Abend mit Würfel spielen und LED-Kerzenlicht verbracht, hatte auch was. Das Handy seit 6:30 Uhr auf laut, aber kein Anruf.
12:30 Uhr
Ein Anruf! Ich fahre auf und bin ernüchternd, als ich die Nummer als die von Frau Kotzenstein interpretiere. „Moin Frau Kotzenstein“, begrüße ich mein Gegenüber ernüchternd.
„Hier ist der Netzbetreiber. Ich rufe wegen der Wiedereinschaltung an“, da habe ich schon den Schlüssel in der Hand und will rausrennen: „Ich bin in 15 Minuten bei Ihnen.“ Ich schließe die Wohnungstür. Abwarten.
13:00 Uhr
48 Stunden ohne Strom, ohne warmes Wasser und ohne die Möglichkeit selbst zu kochen. Ich wünsche es keinem, das fühlt sich wirklich prekär an. Immerhin ging die Heizung und wir hatten die Unterstützung einer guten Freundin, ohne die das noch unbequemer geworden wäre.
Der Elektriker kam, Hauptschalter musste noch raus, dann sind wir in den Keller, er hat die Plombe entfernt und einige Schalter umgelegt. Hauptschalter wieder rein und es ward Licht! Es fühlt sich an, als würde man ein Flugzeug wieder in Betrieb nehmen.
Danke für die Anteilnahme hier im Faden! Falls weitere Fragen aufkommen, beantworte ich diese gerne!
Fußnoten
[^1]: Wichtige Differenzierung, merkt sie euch! Beim Stromanbieter macht ihr den Vertrag, der Netzbetreiber kümmert sich um den Anschluss.
[^2]: Dramatische Geschichte. Herr Abgehaun lebte auf der gleichen Etage, zwei Türen weiter. Roch immer etwas nach Cannabis, aber das hat uns nicht gestört. Vor einer Reise von uns im letzten Sommer, standen vor seiner Tür einige Einkäufe, Getränkekisten und Schuhe, wir nahmen an er feiere ein Party. Als wir von der Reise zurückkamen, war seine Tür eingetreten, ein provisorischer Bügel mit Vorhängeschloss an seiner Tür, es dröhnte aber Musik aus der Wohnung und er hing am Fenster und schmiss Teebeutel [sic!] aus dem Fenster. Wir schätzen, dass er auf einen Rausch etwas eskaliert sei. Die Hausverwaltung bekam das mit, als sie die Wohnung zwischen unseren wegen einer Übergabe besichtigten und kündigten Herr Abgehaun umgehend.
KüfA ist nicht nur für Bedürftige: Sie ist für alle, das sagt doch schon der Name.