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BERLIN taz | Der Appell ist eindeutig und scharf formuliert: Deutsche, kanadische und US-amerikanische Abgeordnete fordern US-Präsident Joe Biden, den kanadischen Premierminister Justin Trudeau sowie Bundeskanzler Olaf Scholz eindringlich auf, sich für einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza starkzumachen und eine Zweistaatenlösung voranzutreiben. In einem offenen Brief, der der taz vorab in der deutschen Fassung vorliegt, heißt es: „Wir glauben, dass der Preis, die Hamas zu besiegen, nicht die Inkaufnahme des andauernden Leids der palästinensischen Zivilbevölkerung sein kann. Inzwischen sind auch israelische Geiseln den Angriffen zum Opfer gefallen. Ein erneuter, humanitärer Waffenstillstand ist sofort notwendig.“

Zu den Un­ter­zeich­ne­r:in­nen gehören 20 deutsche Bundestagsabgeordnete der SPD, darunter Ralf Stegner und Aydan Özoğuz, sowie 20 kanadische Abgeordnete der Neuen Demokratischen Partei sowie der Liberal Party of Canada und 10 US-Abgeordnete der Demokraten.

„Wir verurteilen den Terror der Hamas aufs Schärfste und fordern die sofortige Freilassung aller Geiseln“, sagte die SPD-Abgeordnete Derya Türk-Nachbaur der taz. Sie gehört zu den In­itia­to­r:in­nen des Briefes und ist stellvertretende menschenrechtspolitische Sprecherin der SPD. Der Staat Israel hätte das Recht, sich im Rahmen des Völkerrechts zu verteidigen und gegen künftige Angriffe zu schützen. „Die humanitäre Lage in Gaza ist jedoch katastrophal.“ Über 20.000 tote Zivilistinnen, davon tausende Kinder, könnten „uns nicht unberührt lassen“.

Türk-Nachbaur verwies in diesem Zusammenhang auf die Reise in den Nahen Osten von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in der vergangenen Woche. Baerbock hat bei einem Besuch am ägyptischen Grenzübergang Rafah eindringlich gefordert, dass humanitäre Hilfe Gaza erreichen müsse, um die schlimmste Not zu lindern. Zwei-Staaten-Lösung einziger Weg

Die andauernden Kampfhandlungen in Gaza ließen keinen Schutzraum mehr für Zi­vi­lis­t:in­nen in einem der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt zu, heißt es in dem offenen Brief weiter. Zudem warnen die Un­ter­zeich­ne­r:in­nen vor einer drohenden Ausweitung des Kriegs. Die vom Iran unterstützten Huthis feuern Raketen auf Handelsschiffe im Roten Meer, die Hisbollah greift aus dem Süden Libanons Israel an. Die Abgeordneten befürchten verheerende Auswirkungen für die ganze Region, sollten diese Parteien verstärkt in den Konflikt eigreifen.

„Die Vision einer Zweistaatenlösung bleibt der einzig gangbare Weg für eine nachhaltige Konfliktlösung.“ Aus Sicht der Abgeordneten kommt Deutschland, USA und Kanada dabei eine Schlüsselrolle zu. Dazu gehört auch, eine „nennenswerte internationale Wiederaufbauhilfe für die zerstörten zivilen Ortschaften in Gaza und Israel bereitzustellen“. „Unsere Regierungen sollten sich für die Einhaltung internationalen Rechts einsetzen und unsere Verbündete für ihre Handlungen in die Verantwortung nehmen“.

„Es darf keine Rückkehr zu dem gefährlichen Status quo eines ungelösten Konflikts geben“, sagte die SPD-Abgeordnete Sanae Abdi der taz. Nur eine politische Lösung könne dauerhaft für Frieden und Sicherheit sorgen und Extremisten den Boden entziehen. Abdi übt zudem scharfe Kritik an der israelischen Regierung. „Die Ausweitung der Siedlungen im Westjordanland oder Forderungen nach einer Umsiedlung der Palästinenser sind Verstöße gegen das Völkerrecht, die einer nachhaltigen politischen Lösung im Wege stehen.“

Unmissverständlich machen die Un­ter­zeich­ne­r:in­nen klar, dass sie den Terror der Hamas und den brutalen Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 scharf verurteilen. Sie bezeichnen diesen Angriff als „Zivilisationsbruch aus Mord, Folter, sexualisierter Gewalt und Geiselnahme, der sich gegen unschuldige Zivilistinnen und Zivilisten, inklusive Kinder, richtete“. Einseitige Haltung Deutschlands?

Doch insbesondere in Deutschland würde zunehmend der Eindruck entstehen, dass sich die Bundesregierung einseitig positioniere. „Deutschland ist mit seiner Haltung in Europa und darüber hinaus ziemlich alleine“, sagte die SPD-Politikerin Isabel Cademartori der taz. Viele hätten hierzulande das Gefühl, dass die deutsche Politik einseitig Stellung beziehe und neben der notwendigen und richtigen Solidarität mit Israel das Leid der Palästinenser ausblende und Israels Vorgehen im Gazastreifen mehr oder weniger kritiklos akzeptiere. Viele Menschen in der Bundesregierung, im Parlament und der Bevölkerung sorgten sich um die Situation vor Ort und versuchten auf verschiedenen Wege im Sinne einer humanitären Lösung positiv Einfluss zu nehmen.

„Auch in der Tradition der bisherigen Nahostpolitik der SPD, die immer auf einen Interessensausgleich zwischen den Konfliktparteien ausgerichtet war, möchten wir die dringend notwendige Debatte über den richtigen Kurs anstoßen, die bei unseren transatlantischen Partnern anders als in Deutschland sehr offen geführt wird“, so Cademartori.

Der Brief sei aus der SPD-Fraktion heraus entstanden, heißt es. Die Erwartung ist hoch, dass Außenministerin Baerbock sich bei ihren Gesprächen im Nahen Osten für die Forderungen starkmacht. Denn: „Die Sicherheit und die Zukunft von Israel und Palästina sind untrennbar miteinander verbunden.“

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[–] [email protected] 0 points 9 months ago (1 children)

"Westliche Werte" sind als Begriff sowieso ein Witz. Eigentlich sollte das negativ als Eigennutz und Ausbeutung belegt sein. Westliche Kolonialgeschichte wurde doch auch nur durch kapitalistische westliche Ausbeutung ersetzt.

[–] [email protected] 0 points 9 months ago (1 children)

Da vertrittst du eine sehr einseitige Betrachtung der Geschichte und lässt außer Acht, dass insbesondere im Rahmen der Aufklärung der heute sogenannte westliche Wertekanon ziemlich einzigartig weiterhin unglaublich wichtige Konzepte und Rechte umfasst:

  • Rechte des Individuums gegenüber der herrschenden Ordnung, insbesondere Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit und Eigentum

  • Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung

  • die Idee der Demokratie und die Mehrheit ihrer Auswüchse.

Es steht dir natürlich vollkommen offen, aufgrund historischer Verfehlungen den Begriff rundheraus abzulehnen und ausschließlich negativ zu assoziieren. Es hat trotzdem objektiv Hand und Fuß, eine differenziertere Haltung dazu zu haben.

[–] [email protected] 0 points 9 months ago

Dass das von mir sehr provokant formuliert war, da gebe ich dir Recht. Aber auch bei dem von dir genannten Wertekanon: So uneingeschränkt gilt der auch nicht.

  • Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit und Eigentum sind keine unumstößlichen Rechte. Man schaue sich Julian Assange an oder die Situation des Judentums in Europa. Da werden diese Rechte entweder von staatlicher Seite oder aus der Gesellschaft für unliebsame Teile nicht berücksichtigt. Bei Eigentum ähnlich. Hartz4 Empfänger hatten ein Recht darauf nur bedingt. Wenn man später in die Pflege kommt, muss man das auch vorher loswerden.
  • Rechtsstaatlichkeit wird gerne bekämpft, wenn sie unangenehm ist. Siehe Polen, Ungarn oder auch die USA.
  • Bei Demokratie stehen wir in der Realität auch vor einem großen Problem, wo es den Anschein hat, dass viele im Westen die nicht mehr möchsten und auch von staatlicher Seite unterstützen wir Diktaturen. Historisch gesehen kann man sich da die Putsche im Iran oder in Chile angucken.

Ich meine nicht, dass alles Scheiße ist, aber ich glaube auch, dass sehr häufig der Westen nicht das erreicht, was er sich so gerne als westliche Werte zuschreibt. Vor allem ist es häufig ein schöne Welt für mich und Ausbeutung für dich, um meine schöne Welt zu erhalten.