Neue Enthüllungen um Agententätigkeiten des flüchtigen Wirecard-Managers Jan Marsalek alarmieren die Politik. Es brauche einen Sonderermittler, so der Grüne Konstantin von Notz.
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Ein solcher unabhängiger Sonderermittler wäre ein scharfes Schwert. Vor allem könnte er deutlich umfangreicher Akten anfordern - es wäre auch ein Zeichen in Richtung der eigentlich für die Aufklärung zuständigen Ermittlungsbehörden: Euch trauen wir nicht zu, alle Fakten auf den Tisch zu legen.
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Zwischen Oktober 2020 und Juni 2021 hatte bereits ein Untersuchungsausschuss die Vorgänge um den milliardenschweren Wirecard-Betrugsfall untersucht. Insbesondere zu den geheimdienstlichen Verwicklungen Marsaleks blieben damals viele Fragen unbeantwortet. Im Abschlussbericht hieß es etwa:
"Dem Bundesnachrichtendienst hätten (…) vor der Flucht von Herrn Marsalek weder zu Wirecard noch zu Jan Marsalek Hinweise vorgelegen, die einen möglichen Bezug zu ausländischen Nachrichtendiensten thematisiert hätten."
- Abschlussbericht Wirecard-Untersuchungsausschuss
Dabei reichen die problematischen Kontakte Marsaleks zu Personen aus dem russischen Geheimdienstumfeld zurück bis in die Jahre 2013. Mindestens 60 Mal reiste er nach Russland, hatte eine russische Geliebte, die ihm Türen in hochrangige Sicherheitskreise in Moskau geöffnet haben soll. Mit einem eigens geschaffenen Netzwerk in Europa soll Marsalek Zielpersonen ausgeforscht und Informationen weitergeleitet haben. Zu diesem Schluss kommen inzwischen Sonderermittler in Österreich.
Selbst Reisen mit russischen Geheimdienst-Mittelsmännern nach Syrien oder zu russischen Söldnergruppen nach Libyen blieben den deutschen Diensten offenbar lange verborgen.
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Ob Deutschland hier zu naiv war? "Ich denke, dass wir uns bewusst sein müssen, dass Russland schon sehr lange sehr intensiv seine Netzwerke in Deutschland zu eigenen Gunsten (…) genutzt hat", so Kiesewetter gegenüber ZDF frontal. Es ginge darum, dem Ansehen Deutschlands, aber auch dem Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu schaden.
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Besonders bedenklich stimmt die Nachrichtendienst-Kontrolleure, dass der Bezahldienstleister Wirecard auch Transaktionen für deutsche Behörden abgewickelt hat - darunter etwa sensible Überweisungen an V-Leute. Sollten solche Informationen an ausländische Dienste geflossen sein, wäre das eine konkrete Gefahr für Menschenleben.
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Die neue Faktenlage eröffne eine neue Dimension des Wirecard-Skandals, betont auch von Notz. "Weil das eine so relevante Sicherheitsfrage für andere Dax-Unternehmen, für die deutsche Wirtschaft, für die deutsche Politik ist, glaube ich, sind wir alle in der Pflicht, ganz genau hinzugucken und jetzt wirklich zu ermitteln und zu untersuchen, was die genauen Hintergründe sind."
Alleine, dass sich die Frage realistisch stellt, ist Trauerspiel genug und ein absoluter Gewinn für Russland.